FREDI BREUNIG

Fredis Glosse

Nur keinen Schritt laufen! (Hochdeutsch)

28.09.2021
„Nur keinen Schritt laufen!“ hat mein Vater selig immer gesagt, als ich früher auch für den kürzesten Weg das Auto genommen habe und nicht gelaufen bin. Ja, nur keinen Schritt laufen, das könne man heute auch sagen, wenn man sieht, wie die Bundestagswahl am Sonntag abgelaufen ist. Ganz gleich, was herausgekommen ist und was wir da wieder zusammengewählt haben: abgelaufen im Wortsinn ist die Wahl ja eigentlich gar nicht, denn geschätzt die Hälfte aller Wähler hat Briefwahl gemacht. Die Hälfte! Warum, frage ich mich! Bei einer Kommunalwahl kann ich das ja noch verstehen, weil da das Wählen wegen der vielen Kandidaten, dem Panaschieren und dem Kumulieren ziemlich kompliziert ist und die Wahlscheine alles zusammen ca. drei Quadratmeter groß sind. Aber bei einer Bundestagswahl? Ein relativ kleiner Stimmzettel und zwei Kreuzchen, die du machen musst. Machen sie alle Briefwahl! Der Mensch, ein seltsames Wesen: er will nicht mehr laufen und nicht mehr sprechen. Wenn man nicht will, muss man heutzutage ja wirklich nicht mehr aus dem Haus. Online-Banking, Homeoffice, keine Kneipen mehr. Und Briefwahl halt. Und das Sprechen, das Unterhalten, die Kommunikation? Pfeifendeckel! Aus und vorbei! Schau‘ dich doch um! 1878 hat Alexander Graham Bell das Telefon erfunden, damit sich Leute, die hunderte oder tausende Kilometer voneinander entfernt wohnen, miteinander unterhalten können. 2007 hat Steve Jobs das i-Phone erfunden, damit Leute, die in einer Wirtschaft am selben Tisch setzen, nicht mehr miteinander sprechen müssen. Wird heute per WhatsApp alles geschrieben. Und: früher hat man vor dem Essen ein Gebet gesprochen und es hinauf in den Himmel geschickt. Heute wird nicht mehr gebetet, aber das Essen wird fotografiert und in die ganze Welt geschickt. Zurück zur Wahl. Sogar Angela Merkel hat Briefwahl gemacht und gesagt, sie habe keine Lust mehr, in ein Wahllokal zu gehen. Bei ihr kann ich es ja noch verstehen. Sie hatte es ja nie so richtig mit dem Laufen und ist jeden Schritt gefahren worden. Wie bei ihrem Besuch in Bayern im Sommer vergangenen Jahres. Da ist sie in einer Kutsche mit Markus Söder auf Herrenchiemsee gefahren. Und da ist etwas passiert, das nur wenige Leute mitbekommen haben. Während der Fahrt hat eines der Pferde, die die Kutsche gezogen haben, einen fahren lassen und Markus Söder hat zu Angela Merkel gesagt: „Oh, das ist mir jetzt aber peinlich!“ Meint Angela Merkel: „Und ich dachte schon, es war das Pferd.“ Servus, der Eustach.

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